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Die Weimarer Republik und das Dritte Reich

1924 – 1948

01.01.1924

Erste Vorsitzende: Eduard Peters (1920-1924), Dr. Otto Ebner (1925-1940)

Die schwierigen Rahmenbedingungen der Weimarer Republik definieren weiterhin die Entwicklung der Sektion. Im Jahr 1924, dem 50.sten Jahr der Vereinsgründung, wird berichtet, dass das Mitgliederwachstum – das damals in allen Sektionen des Alpenvereins zu verzeichnen war - zwischenzeitlich gebremst ist und bei ca. 1.050 Personen stagniert. Dies wird jedoch seitens des Chronisten nicht bedauert, sondern begrüßt – scheinbar war der Verein an seine Kapazitätsgrenzen gestoßen. Es gibt über Konstanz hinaus jeweils eine größere Anzahl an Mitgliedern in Stockach, Radolfzell, Überlingen, Singen, Waldshut und Lörrach. Das Jubiläum wird im Vergleich zu früheren Feierlichkeiten eher im kleinen Rahmen abgehalten, was sicherlich den Umständen jener Zeit geschuldet ist: ohne genaues Datum wird zunächst über einen Familienabend berichtet, bevor dann am 31. Mai die „eigentliche Feier im geschmückten St.-Johann-Saal“ stattfindet. Gefeiert wird mit den Mitgliedern und auch Gästen aus anderen Sektionen aus dem Inland und der Schweiz, Grüße übermitteln u. a. der Hauptverband, weitere Sektionen und seine königliche Hoheit, der Großherzog. In diesem Rahmen werden auch erstmals zwei verdiente Mitglieder zu Ehrenmitgliedern ernannt, nachdem dies zuvor den Großherzögen Friedrich und Friedrich II vorbehalten war: die ehem. Vorsitzenden Dr. Wilhelm Strauß und Hugo Bantlin werden hiermit geehrt. Im Jahr 1927 verstirbt Dr. Strauß als mit 89 Jahren damals ältester Einwohner von Konstanz - und mit ihm auch das letzte Gründungsmitglied der Sektion.

Im August 1924 wird im Zuge der Währungsreform die Reichsmark eingeführt. Damit gehören die Milliardenbeträge der Vergangenheit an, die schwierigen finanziellen Bedingungen bestehen aber fort. Dies führt u. a. dazu, dass der Mitgliedsbeitrag der Sektion im Folgejahr von 5 Reichsmark auf 11 Reichsmark (!) angehoben wird, im Folgejahr steigt dieser Beitrag nochmals um grundsätzlich eine weitere Reichsmark sowie drei Reichsmark „Hüttenzuschuss“ auf somit insgesamt 15 Reichsmark – eine Steigerung, die letztlich eine Reduzierung der Mitgliedszahlen nach sich zieht. Die aufgrund der großen Nachfrage notwendige nochmalige Erweiterung der Hütte muss verschoben werden; was dazu führt, dass zeitweise auf dem Fußboden geschlafen werden muss. Geregelt wird dagegen in dieser Zeit im Rahmen der „Augsburger Beschlüsse“ die genaue Zuordnung der Arbeitsgebiete der im Verwall vertretenen Sektionen Konstanz, Reutlingen, Worms, Friedrichshafen, Darmstadt, Ulm und Heilbronn.

Der Verein wird am 21. März 1929 erstmals ins Vereinsregister beim örtlichen Amtsgericht aufgenommen und damit zur juristischen Person.

Die Bibliothek hat zwischenzeitlich weiter an Bedeutung gewonnen und aufgrund der gegebenen Nachfrage müssen Beschränkungen eingeführt werden. So beträgt „die Ausleihfrist grundsätzlich 4 Wochen, in der Hauptreisezeit vom 15. Juni bis Ende September dürfen Reisebücher und Karten aber nur in den Vereinsräumen genutzt werden. Es stehen Führer und Reisehandbücher, Werke wissenschaftlichen Inhalts, Reisebeschreibungen Bergsport, periodische Schriften, Karten, Panoramen, alpine Liederbücher und Unterhaltungsschriften zur Verfügung. In der Folge wird über eine „Lesehalle der Stadt Konstanz beim Rheintorturm berichtet, in der für Mitglieder alpine Zeitschriften ausliegen“. Die Mitteilungen der Sektion informieren quartalsweise über das Geschehen und außerdem erhält jedes Mitglied - z. B. im Jahr 1928 - die Mitteilungen des Hauptverbandes monatlich per Post zugestellt. Sie „sind ein Bindeglied der Alpenvereinsmitglieder und dienen gleichzeitig der Bekanntgabe und Klärung touristischer Fragen“. 1935 wird ein „Bücher-Verzeichnis“ veröffentlicht; im Geleitwort informiert der Bücherwart wie folgt: „Einen nicht zu übersehenden Wertmesser des alpinen Lebens einer Sektion bildet die Bücherei“.

Vorträge werden auch wieder verstärkt angeboten. Themen sind u. a. „Erstersteigungen im Hochgebirge Boliviens“, „Feuerlandinseln und patagonische Gebirgswelt“, „Wanderungen im Ortlergebiet“, „im Bannkreis des Matterhorns“, „schwere Klettereien“ oder „Arbeitsgebiet der Sektion Konstanz“, auswärtige Referenten sind nicht selten und kommen u. a. aus Wien, München, Karlsruhe oder Hamburg. 1928 gibt es „Filmvorführungen im Palastkino“ mit Titeln wie „Der alpine Sanitätsdienst der Bergwacht“ oder „Die Familie Eckel im Hochgebirge“. Die „Vorführungsdauer“ beträgt jeweils 2,5 Stunden.

Im Jahr 1928 ist die Konstanzer Hütte auch im Frühjahr bewirtschaftet: vom 1. März bis Ostern nutzen ca. 400 Skibergsteiger dieses Angebot. Die Sommersaison dauert vom 15. Juni bis Anfang Oktober und für die Übernachtung müssen nun im Bett 2 Schilling, auf der Matratze 1 Schilling und im Notlager 0,5 Schilling entrichtet werden, Nichtmitglieder zahlen das 2,5-fache. Das Geld ist in eine bereitstehende Kasse „einzuwerfen“ – was leider nicht von allen Gästen befolgt wird. Insgesamt 2.215 Besucher führen bei Einnahmen von 3.850 Schilling und Ausgaben von 1.083 Schilling zu einem Reingewinn von 2.767 Schilling. Im Jahr darauf stehen wieder größere Ausgaben u. a. für ein neues Dach, ein Wasserklosett und einen neuen Herd an, gefolgt vom Bau von Aborten mit Wasserspülung im Jahr 1932, da die ans Haus gebaute Sickergrube zunehmend zu Geruchsbelästigungen in der Hütte geführt hat. Der Bruckmannweg wird von der Sektion Heilbronn angelegt, die in diesem Zusammenhang auch ein Drahtseil am Patterioleinstieg anbringen will. Dies wird jedoch seitens der Konstanzer Sektion abgelehnt, um nicht „Unkundige zur Besteigung des Patteriols zu verführen“. Im September 1936 wird ein Bus angemietet, mit dem 30 Bergfreunde zum Hüttenschluss aufbrechen. Und 1938 erhält die Hütte elektrisches Licht und das Essen wird normiert: zum Preis von 0,70 bis 1 Reichsmark enthält man ein Bergsteigeressen, d.h. „eine Speise mit Fleisch und Beilage im Gesamtgewicht von ca. 600 Gramm“. Ein Tellergericht (z. B. Nudeln mit Käse) kostet 0,40 bis 0,60 Reichsmark, wobei Nichtmitglieder jeweils einen höheren Preis zahlen.

Es werden ca. 10 Sektionswanderungen pro Sommerhalbjahr angeboten, auf die in der Tagespresse hingewiesen wird. Dabei gibt es klare Verhaltensregeln, denen zufolge „der Wanderwart die Gruppe führt und das Schrittmaß bestimmt; es ist nicht gestattet, dem Führer vorauszueilen“. Mitte der 30-er Jahre werden Mitglieder, die Sektionstouren anbieten, finanziell entlastet: sie erhalten Kosten für Fahrt und Übernachtung ersetzt; bei neuen Touren werden auch die Kosten für die vorherige Begehung der Tour ersetzt. Für Bergtouren können die „Touristenfahrkarten“ der österreichischen Bundesbahn genutzt werden, die über die Sektion zu beziehen sind und vergünstigte Fahrpreise bieten: z. B. von Lindau nach St. Anton für 5,20 Reichsmark für die Hin- und Rückfahrt in einem Zeitraum von 11 Tagen. Im Winter gibt es Skitouren, die bis zu 4 Tage dauern können, so z. B. eine „Schneeschuhfahrt ins Spitzmeilengebiet“ oder „an Ostern im Gebiet der Konstanzer Hütte“ mit 10 Teilnehmern. Skikurse werden – z. B. bei der Alpe Furx nahe Laterns - ebenfalls angeboten. Über die Schneelage in „nächstgelegenen Skimöglichkeiten“ (u. a. Kaien, Bödele und Windegg bei Hattingen) wird per Aushang informiert. Die „Jungmannschaft“ wird gesondert erwähnt: sie ist in diesen Zeiten viel in den Ost- und Westalpen unterwegs und unternimmt dabei auch Skitouren und Kletterlehrgänge.

Und auch darüber hinaus bewirkt der Verein einiges: im Jahr 1929 erfindet ein Mitglied einen „zusammenlegbaren Skischlitten“.

Doch dann werden die Zeiten härter. Infolgedessen wird das „herkömmliche Kartoffelessen“ 1931 „der Not der Zeit entsprechend“ abgesagt und 1932 wird auf den Druck des sonst üblichen Jahresberichtes „aus Ersparnisgründen“ verzichtet. Der Mitgliedsbeitrag wird weiter reduziert und in jährlichen Schritten von 9 auf 8 und schließlich 7 Reichsmark festgesetzt. Darüber hinaus werden bedürftigen A-Mitgliedern Ratenzahlungen angeboten und „junge Leute“ im Alter von 18- bis 25 Jahren können bei finanzieller Notlage eine B-Mitgliedschaft (4 Reichsmark) beantragen. Dennoch sinken die Mitgliederzahlen auf unter 700, sodass sogar in den Mitteilungen im Januar 1934 dazu aufgerufen wird, neue Mitglieder zu werben.

Und auch die Gästezahlen auf der Konstanzer Hütte nehmen ab. Dem versucht man u. a. dadurch entgegenzuwirken, dass jedes Mitglied 3 freie Übernachtungen auf der Hütte erhält. Dennoch verzeichnet das Hüttenbuch im Jahr 1934 nur noch 546 Besuche, was sicherlich auch mit den Grenzsperrungen in Zusammenhang steht. Und dennoch wird das 60-jährige Sektionsjubiläum am 27. Oktober bei einem Familienabend mit Tanz gefeiert. Im Zuge der dann wieder besseren finanziellen Situation vieler Mitglieder wird am 23. Februar 1938 erstmals zu einem bunten Fasnachtsabend im Barbarossa unter dem Motto „Trubel auf der Konstanzer Hütte“ eingeladen: „alles fährt, wandert, steigt und klettert zum Alpenvereinsball“. Die Sektion kann wieder steigende Mitgliederzahlen verzeichnen, die sich in Richtung der 1.000-er Marke entwickeln.

Ergänzend zur Konstanzer Hütte gibt es in den folgenden Jahren immer wieder weitere Hütten, die den Mitgliedern für Aktivitäten zur Verfügung stehen: für den Wintersport wird ab 1922 die Bergmoosalphütte bei Steibis angemietet. Nachdem die Besucherzahlen zunächst sehr hoch sind, lassen diese ab 1932 aufgrund der schwierigen Verhältnisse wieder nach, sodass die Anmietung wieder eingestellt wird. In den Jahren 1935 und 1936 folgt das Skiheim Steibis und ab 1937 steht die Alpe Furx oberhalb von Laterns bereit. Die letzten beiden Häuser können ganzjährig genutzt werden.

Von den gesellschaftlichen Wirren der ersten Jahre des dritten Jahrzehnts wird wenig berichtet, aber die Auswirkungen des NS-Regimes werden auch in der Sektion schnell spürbar: bereits in den Mitteilungen vom Mai 1933 wird dargelegt, dass „wir Deutsche wieder voll innerem Stolze unserer Heimat gedenken können“, „ein neuer Staat ist entstanden“. Und am 21. Juli 1933 wird dann auf einer außerordentlichen Hauptversammlung das Führerprinzip richtungsweisend in die Satzung aufgenommen und die „Arierbestimmungen nach den Richtlinien für Beamte der Reichsregierung“ treten in Kraft. Nicht-Arier dürfen demzufolge nur noch dann im Verein verbleiben, wenn sie im Ersten Weltkrieg Frontkämpfer waren oder ein Elternteil oder Sohn „für Deutschland gefallen sind“. Alle Mitglieder sind gefordert, „umgehend hierzu eine beigefügte Erklärung auszufüllen und an die Sektion zurückzusenden“.

In den Mitteilungen im Oktober dieses Jahres wird auch die Sektion auf den „Führer, der den geraden Pfad weist“, ausgerichtet. Bereits 1936 wird in den Mitteilungen darauf hingewiesen, dass „der Alpenverein unserem Führer zu treuem Dank verpflichtet ist“. Dem ist zu entnehmen, dass zumindest die Verantwortlichen des Vereins dem vorgegebenen Kurs folgen.

Und das war erst der Beginn – weit dramatischere Folgen sollten noch kommen.

Unübersehbar sind die Veränderungen in den – in geringem Umfang – zur Verfügung stehenden Chroniken. Auch die Sektion beteiligt sich an der Huldigung des Führers und seines Regimes, die Texte sind ideologisch geprägt. 1936 wird die Sektion dem „Reichsbund für Leibesübungen“ angeschlossen. Auf einer außerordentlichen Hauptversammlung im Juni des gleichen Jahres wird eine neue Satzung verabschiedet, die den Vorgaben entspricht und auf der folgenden ordentlichen Hauptversammlung im Dezember wird Dr. Ebner zum nun so bezeichneten „Führer der Sektion“ gewählt. Die Sektion wird entsprechend der Vorgabe des Reichsbundes kurz darauf in „Zweig Konstanz des Deutschen Alpenvereins“ umbenannt und Ende der 30er Jahre werden Ortsgruppen in Radolfzell und Überlingen sowie eine Jugendgruppe an der Schloßschule in Salem gegründet. 1940 gibt es dann in den drei Jugendgruppe in Konstanz, Spezgart und Salem insgesamt 108 Mitglieder.

Ab dem Jahr 1939 werden die Mitteilungen mit Hakenkreuz und Reichsadler ergänzend zum Edelweiß versehen. Nach erneuter Umstrukturierung ist die Sektion nun in den „Nationalsozialistischen Reichsbund für Leibesübungen“ integriert und damit werden „auch politische Aufgaben übertragen“: es geht nun auch um die „Lenkung und Förderung unseres Nachwuchses ... zum Zwecke unseres möglichen Einsatzes für Volk und Vaterland“. In diesem Sinne werden auch die „jüngeren Mitglieder“ aufgerufen, sich freiwillig zu den Alpenkorps, d.h. den Gebirgsjägern und der Gebirgsartillerie zu melden. Weiterer Aussagen bedarf es wohl nicht, um davon auszugehen, dass der Verein und seine Mitglieder sich in den gegebenen Rahmenbedingungen eingerichtet haben. Sicherlich interessant ist darüber hinaus, dass in diesem Jahr mit dem Italienischen Alpenverein vereinbart wird, sich gegenseitig die vollen Mitgliederrechte zuzugestehen.

Auch in Vorträgen mit Titeln wie „vom Nordkap bis zur Sahara – Sport- und Wanderfahrten deutscher Jugend“, „aus deutschen Gauen zwischen Fels und Meer“ oder „Dolomitenkämpfe, ein Heldenepos“ wird dies deutlich. Aber auch gewohnte Formate wie die „Erstbesteigung der Grandes-Jorasses-Nordwand“, „durch Schweden und Norwegen zur Mitternachtssonne“ oder „Himalayabergfahrten“ stehen im Programm.

Ab dem Jahr 1940 werden „Neuwahlen bis zur Beendigung des Krieges“ ausgesetzt, in den Mitteilungen vom Mai 1941 wird über die ersten beiden im Krieg gefallenen Mitglieder berichtet. Die Mitteilungen erscheinen letztmalig 1942. In den Folgejahren dominiert der Zweite Weltkrieg nicht nur das Leben in Konstanz, sondern auch die Situation des Vereins: dessen Tätigkeit wird ab dem Jahr 1940 zunehmend ausgesetzt und kommt letztlich zum Stillstand.

Nach Ende des Krieges beklagt die Sektion 34 gefallene und zwei vermisste Mitglieder. Die Vereinstätigkeit wird – wie überall in der französischen Besatzungszone - zunächst bis 1949 untersagt.